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Samstag, 14. Juni 2014

Was? Schon wieder 12 Monate vorbei?

Jetzt ist eine wichtige psychologische Grenze überschritten: Wir haben den ersten Geburtstag unseres Sohnes gefeiert. Ein ganzes Jahr ist einfach so verstrichen. Ich kann aber nicht behaupten, es sei einfach so unbemerkt an mir vorbei gegangen, schließlich ist naturgemäß eine Menge passiert. Deshalb komme ich um ein Resümee wohl nicht herum.Wie immer schreibe ich dabei nur aus meiner eigenen Papa-Perspektive.

Zunächst kann ich sagen: Ich bereue absolut nichts. Ein Kind haben zu wollen war vermutlich die beste Idee, die ich je in meinem Leben hatte. Wenn bis zum positiven Schwangerschaftstest noch irgendein Rest Ziel- oder Orientierungslosigkeit in mir übrig geblieben war, ist er danach komplett verschwunden. Es gibt da einen kleinen Sonnenschein, für den ich in hohem Maße verantwortlich bin und der bis zum Ende meines Lebens all mein Handeln und meine Pläne beeinflusst - später vielleicht nicht mehr so wie jetzt, aber er wird (hoffentlich) immer mit mir verbunden sein.
Diese 12 Monate waren für mich vermutlich prägender als ich es selbst wahrnehme. Aber ich merke doch, dass etwas anders ist. Ich sehe die Welt einfach mit anderen Augen, und auch meine Persönlichkeit hat sich irgendwie gewandelt. Vielleicht bin ich jetzt etwas konsequenter und selbstbewusster, vielleicht sind meine Entscheidungen jetzt etwas zukunftsorientierter. Ich kann nicht sagen, dass ich jetzt weniger gern auf Arbeit gehe (ich liebe meinen Job) oder dort weniger engagiert bin, aber die freie Zeit dazwischen hat jetzt einen ganz anderen Stellenwert. Natürlich habe ich mich schon vorher darauf gefreut, nach der Arbeit meine Frau wieder zu sehen. Jede freie Sekunde mit ihr habe ich genossen - und genieße ich immer noch. Aber dieser kleine Sonnenschein, der mir beim Öffnen der Wohnungstür entgegen getapst kommt und strahlend "bababa" ruft, ist einfach das Sahnehäubchen. Jeder Morgen beginnt (wenngleich etwas früh für meinen Geschmack, vor allem am Wochenende) mit einem vergnügt brabbelnden und lachenden Baby - was kann den Tag da noch verderben? Wenn man einen Menschen dabei hat, für den alle paar Minuten etwas zum ersten Mal im Leben geschieht, ist jeder noch so kleine Spaziergang etwas Besonderes. Das Leben ist einfach intensiver geworden.
Viele Dinge sind natürlich auch mir zum ersten Mal passiert: Ich habe einen Kreißsaal betreten, eine Nabelschnur durchgeschnitten, einen Kreißsaal als Papa verlassen, mein eigenes Kind in einem Kinderwagen mit der Straßenbahn nach Hause gebracht... das waren jetzt nur ausgewählte Momente der allerersten Tage, auf die ungefähr weitere 360 Tage folgten, die nicht viel weniger bedeutsam waren. Wer das nicht kennt, wird es vermutlich nicht verstehen.
Ich kann jetzt endlich mit tiefer Stimme "ICH BIN DEIN VATER" sagen (natürlich inklusive Atemgeräusche), ohne zu lügen. Ich habe merkwürdige Sätze wie "Nimm doch bitte mal deinen Fuß aus dem Mund..." formuliert, kann inzwischen recht sicher Windeln wechseln und mit zunehmender Sicherheit Kleidungsstücke über den Kopf eines wild strampelnden Kindes streifen. Ich lebe jetzt mit einem Menschen zusammen, der bei jedem erdenklichen Unsinn in ein lautes, absolut ansteckendes Lachen ausbricht und mit dem man stundenlang das Ich-schmeiß-irgendwas-runter-und-du-hebst-es-auf-Spiel spielen kann. Neulich haben wir damit ein ganzes Einkaufszentrum unterhalten - von den vielen lustigen Episoden in der Straßenbahn ganz zu schweigen. Ich gehe öfter spazieren - besonders vom Wohnzimmer in die Küche und zurück, während mich jemand am Zeigefinger hinter sich her zieht.

So ein erster Geburtstag bringt zwangsläufig viele solcher Gedanken mit sich, fernab der Planung der eigentlichen Feier. Die haben wir ganz unkompliziert in unseren wundervollen Leipziger Wildpark verlegt: Kaffee trinken in der Wildparkgaststätte, dann ein ausgedehnter Spaziergang an den Wildtiergehegen vorbei. Oft wurden wir daran erinnert, dass unser Sohn ohnehin nicht viel von seinem ersten Geburtstag habe und er davon nicht viel mitbekäme. Ich behaupte aber, dass er durchaus seine Freude an diesem Tag hatte. Die Wildschweine mit ihren Frischlingen erregten jedenfalls seine Aufmerksamkeit, und beim Füttern des Damwildes hatte er sichtlich Spaß. Die Tiere waren sogar zutraulich genug, um sich von ihm berühren zu lassen.

Nun ist der Geburtstag vorbei. Das Kind schläft und erholt sich von den vielen Eindrücken des Tages. So wenig wie er ein Gefühl für die inzwischen verstrichene Zeit hat, nehme ich ihn anders wahr als gestern. Dieses wundervolle Wesen hat sich in nur einem Jahr (streng genommen schon während der Monate vor seiner Geburt) einen festen Platz in meinem Herzen erobert, der ihm bis zu meinem Lebensende gehören wird. Sicher besteht zwischen ihm und seiner Mama ein Band, das unseres noch übertrifft, aber die bedingungslose Liebe, die er mir entgegen bringt, erwidere ich ebenso bedingungslos.
Alles Gute zum Geburtstag, kleiner Mann!